Filmkonzert Panzerkreuzer Potemkin / Eisenstein / 1925
Das Drama hat fünf Akte. Im vierten Akt von “Panzerkreuzer Potemkin” kommt sie dann, “Die Treppe von Odessa”, jene berühmte, grausige Sequenz, wo die zaristischen Offiziere im Jahr 1905 auf das aufbegehrende Volk schießen. Mit der legendären “Kinderwagen- Sequenz”: Ein Baby, dessen Mutter erschossen wird, rollt die riesige Hafentreppe herab.
Anja Kreysing und Helmut Buntjer untermalen die Szenen aus Sergej Eisensteins Revolutions-Epos von 1925 auf verblüffende Art: Sie versuchen nicht, die kreischenden Massen und donnernden Gewehre akustisch zu imitieren. Stattdessen: Astor Piazzolla! Dessen morbide Tangoklänge schmiegen sich emotional verblüffend stimmig an das Chaos. Und der Tango wird zum Totentanz.
“Schwarz-Weiß ist die bessere Farbe” heißt das Motto der Stummfilm- Reihe, die Kreysing und Buntjer veranstalten vormals im Cinema, nun drei Mal in der Stadthausgalerie. Potemkin war am Sonntag der letzte Streich an diesem Ort … Mit Live-Klängen, wie man sie sonst nicht zu hören bekommt.
Rechts von der Leinwand sitzt Helmut Buntjer, spielt Posaune und Tuba, lässt seine Instrumente singen oder avantgardistisch knirschen. Und natürlich bekommen die Dampfer der russischen Flotte ein ohrenbetäubendes Dröhnen mit auf den Weg. Elektronik kommt hinzu, die Lautsprecher verstärken alles. Links spielt Anja Kreysing ihr Akkordeon, das natürlich genau zu Piazzolla passt. Und nicht minder zur Wehmut eines russischen Volksliedes oder zum Einheitsfrontlied von Hanns Eisler und Bert Brecht.
Stummfilmmusik war in seinen Anfängen immer ein Zitate-Reigen, das macht immer noch den Spaß aus … Auch das Auge kam hier voll auf seine Kosten. Schwarz-Weiß ist eben die bessere Farbe.
(Arndt Zinkant, WN)